Ich stelle gerade bei der Lektüre von „Tools der Titanen“ von Tim Ferris fest, dass sehr viele der sogenannten High Potentials regelmäßig meditieren. Ich muss dazu sagen: Ich habe noch nie in meinem Leben bewusst meditiert. Oder doch?
Als Teenager kam ich einmal zufällig in Berührung mit dem Thema Meditation im weiteren Sinne. Mein Vater beschäftigte sich zu der Zeit mit autogenem Training und ich nahm mir eines Tages das Buch und las darin. Was ich las, fand ich spannend. Also probierte ich das aus. „Rechter Arm strömend warm, rechtes Bein strömend warm, linker Arm strömend warm…“ Ich habe das mehrere Male gemacht und es hat mir gefallen. Ich kann mich erinnern, dass es auch sehr schnell gewirkt hat. Ich bekam das Feedback meines Körpers. Ich spürte tatsächlich diese Wärme durch meine Gliedmaßen fließen. Und ich wurde ganz ruhig, während ich entspannt auf der Couch lag. Wie gesagt, ich war damals ungefähr 16 Jahre alt. Eigentlich nicht das richtige Alter für autogenes Training.
Bis auf diese paar Male habe ich in den ganzen Jahren danach niemals bewusst Meditation – in welcher Form auch immer – in meinen Tagesablauf integriert. Und genau an diesem Punkt muss ich eigentlich sagen: Das stimmt nicht! Denn ich habe sehr wahrscheinlich mein bisheriges Leben lang die Vipassana-Meditation angewendet, ohne es zu wissen. Ohne Absicht und ohne Plan.
Was ist Vipassana-Meditation?
An dieser Stelle erkläre ich ganz kurz, was mit Vipassana-Meditation überhaupt gemeint ist: Bei dieser Meditationsübung steht die Achtsamkeit im Mittelpunkt. Deshalb wird sie auch „Achtsamkeitsmeditation“ genannt. Es geht darum, sich allem, was man tut, ganz bewusst zu sein. Man fokussiert sich vollständig auf die praktische Handlung, die jetzt in diesem Moment erledigt wird. Oder man schenkt dem Gedanken, den man jetzt gerade hat, vollste Aufmerksamkeit. Man urteilt nicht, man macht einfach. Oder man denkt einfach. Die Hauptsache ist, dass man sich nicht ablenken lässt von dieser einen Sache, die man gerade macht. Das Wahrnehmen des EINEN – darum geht es bei dieser Art der Meditation.
Ich habe irgendwann einmal in einem Buch (wahrscheinlich vom Dalai Lama) gelesen, dass es für uns in der westlichen Kultur sehr schwierig ist, Zugang zur buddhistischen Lehre zu finden. Es ist zwar seit Jahren ein Trend zu beobachten, dass sich immer mehr Menschen mit Buddhismus beschäftigen, aber seien wir ehrlich: Im ganz normalen Alltag ist es für uns schwer, das konsequent umzusetzen. Die Philosophie des Buddhismus steht in einem großen Widerspruch zu unserer sozialen, geistigen, religiösen und gesellschaftlichen Geschichte. Trotzdem findet der Buddhismus im Westen immer mehr Zuspruch, und das schon seit Jahren. Als Hilfe hat der Dalai Lama in diesem Buch, dass ich damals gelesen habe, empfohlen, dass man bei ganz normalen alltäglichen Verrichtungen meditieren kann. Beim Wohnung putzen, beim Staubsaugen, beim Badewanne putzen, beim Auto waschen (das geht wohl nur noch auf dem Land oder auf dem privaten Grundstück), beim Geschirr spülen und immer dann, wenn man irgendwo auf irgend etwas wartet: auf den Bus, die Bahn (man wartet sehr häufig auf die Bahn), im Stau, beim Arzt im Wartezimmer oder an der Kasse im Supermarkt. In diesen Momenten – so die Empfehlung des Dalai Lama – kann man sich entweder auf das fokussieren, was man im praktischen Sinne gerade tut oder man konzentriert sich auf einen Gedanken in seinem Kopf und bleibt bei diesem einen Gedanken.
Geschirrspülen für mehr Achtsamkeit
Ich habe Hausarbeit immer gern gemacht. Keine Ahnung, warum. Ich benutze bis heute auch keinen Geschirrspüler, weil ich so gerne abwasche. Ich räume gern meine Klamotten ordentlich in die Schubladen und Schränke. Ich putze sogar meine Schuhe selbst. Und das alles schon seit Jahren. Diese Tätigkeiten sind hervorragend dafür geeignet, dass man sich voll und ganz auf sie konzentriert. Man spült den Teller und legt ihn beiseite. Man nimmt den nächsten Teller… Man tut nichts anderes. Man spült einfach nur den Teller.
Solche alltäglichen Dinge habe ich eigentlich immer schon sehr bewusst erledigt und dabei nicht an anderes gedacht, sondern mich ausschließlich auf diese einfache Tätigkeit konzentriert.
Ein anderer Bereich, wo man einen sehr guten Einstieg in die Achtsamkeitsmeditation findet, ist der Sport. Ich habe schon immer gern und viel Sport getrieben und auch dabei habe ich dem jeweiligen Ablauf immer meine volle Aufmerksamkeit gewidmet und Achtsamkeit angewendet. Wenn ich zum Beispiel eine längere Strecke draußen in der Natur laufe (Stadtverkehr eignet sich dafür nicht!), hoch und herunter auf schmalem Wegen, dann passiert es mir tatsächlich regelmäßig, dass man in einen Zustand kommt, in dem man eins ist mit seinem Körper, seinem Geist und der Umgebung. Viele Läufer bezeichnen dieses Gefühl als „Flow“. Man läuft einfach nur und nimmt den Körper als „Hindernis“ irgendwann gar nicht mehr wahr. Man atmet ein und aus und alles geht ganz leicht. Beim Fahren von längeren Strecken mit dem Fahrrad habe ich solche Momente auch schon erlebt. Wunderbar intensiv sind mir meine Skiabfahrten in Erinnerung. Besonders, wenn man auf den letzten Drücker noch mit dem Lift hochgefahren ist und quasi fast als Letzter dann die Abfahrt ins Tal unternimmt. Die Liftanlagen stehen still, es sind kaum noch Skifahrer auf der Piste und man schwingt ganz gemächlich und aufmerksam den Hang hinunter. Ich habe dann gern noch einmal angehalten und habe diese Stille um mich herum extrem beruhigend wahrgenommen. In den Bäumen rechts und links der Piste rauscht sacht der Wind, das weiße Band der Skipiste zieht sich schlängelnd ins Tal herunter und ich habe die Lichter im Ort gesehen, die wie kleine Leuchtkugeln blinkten. Ich habe das in solchen Momenten so übersteigert gefühlt, dass ich heute sagen kann: Das ist Vipassana! Das ist das, was damit gemeint ist. Achtsam jeden Augenblick zu erleben. Ohne Ablenkung. Ohne die Fragen, was vorher war oder was demnächst sein wird.
Man muss Achtsamkeit also nicht extra üben. Man braucht keinen extra Bereich in seiner Wohnung dafür. Wer Vipassana durchführen möchte, kann das einfach tun. Natürlich ist jeder Mensch verschieden und jeder hat auch seine eigene Herangehensweise. Ich habe für mich sich herausgefunden, dass ich Achtsamkeit sehr gut in meinen Alltag integrieren kann. Auch ohne Räucherstäbchen und Sitar-Musik. Wobei gegen diese Variante absolut nichts einzuwenden ist. Jeder, wie er möchte. Das ist ja das Schöne daran.
„Wenn man sitzt, dann sitzt man. Wenn man steht, dann steht man.“ So habe ich das einmal bei einem Meditationsmeister gelesen. Besser kann man die Vipassana-Meditation nicht beschreiben.
Hast du schon Erfahrungen mit Meditation gemacht? Dann schreibe gern in die Kommentare, wie du das für dich empfunden hast.